20 "Verletzte" bei Katastrophenschutzübung auf der A93 bei Unterweißenbach

Massenkarambolage im neuen Tunnel

 

Ein Campingbus und sieben Autos rasen im Tunnel der A93 bei Unterweißenbach in einander. Verletzte hängen blutend über Lenkrädern, eingequetscht in kaputtem Blech. Ein Wagen brennt, dichter Rauch macht den finsteren Tunnel zur undurchdringlichen Falle. Das Szenario mutet gar gruselig an - und ist glücklicherweise nur gespielt. Im Rahmen einer großen Katastrophenschutzübung, bei der fast 200 Mann im Einsatz waren, wurde am gestrigen Sonntag fast drei Stunden lang der Ernstfall in der Autobahn-Einhausung nahe Selb geprobt.

SELB-UNTERWEISSENBACH. - "Wir hoffen, dass sich in dem 330 Meter langen Tunnel niemals ein Auffahrunfall solchen Ausmaßes ereignet, aber wir müssen gewappnet sein", betont Übungsleiter Horst Waschilowski vom Landratsamt Wunsiedel, das für die Katastrophenschutzübung verantwortlich zeichnet. Auch Landrat Dr. Peter Seißer ist recht mulmig zumute, als er die brutal in einander verkeilten Blechknäuel mit den geschminkten Verletzten im finstern Tunnel sieht. Bei der Übung wurde davon ausgegangen, dass bisher eine Hälfte des Tunnels fertig gestellt und daher nur im Gegenverkehr befahrbar ist.

 

9 Uhr: Der Alarm wird ausgelöst. Die Freiwilligen Feuerwehren aus Selb und Umgebung, aus Höchstädt, Thierstein und Thiersheim eilen ebenso zur täuschend echt nachgestellten Karambolage im Tunnel wie Technisches Hilfswerk, Rettungskräfte, Notärzte und sogar der Notfallseelsorger.

Dann geht's Schlag auf Schlag - im wahrsten Sinne des Wortes: Um die Übung möglichst realitätsnah durchzuführen, werden die Lichter im Tunnel gelöscht, und aus einer Nebelmaschine wird dichter Rauch in den Tunnel geblasen, in dem am Sonntag nicht mehr als Null Grad herrschen. Die Rettungskräfte, ausgerüstet mit schwerem Atemschutzgerät, müssen sich mit starken Leuchten vortasten, um sich einen Überblick verschaffen zu können. Dann werden große Lampen herbei geschafft, um die Unfallstelle auszuleuchten.

Mit Spezialwerkzeug schneiden die Wehrmänner Fensterscheiben auf, setzen dröhnende Schweißgeräte und Rettungsscheren an, um die Verletzten - es sind 20 Fahrer und Beifahrer - aus den eingequetschten Blechknäueln zu befreien. Die "Verletzten" müssen bereits eine ganze Weile in ihren dunklen und kalten Schrottautos ausharren, zumal diese vor dem Einsatz an den Türen noch verschweißt wurden, damit die Wehrleute auch wirklich alles aufzubieten hatten.

 

   

75 Minuten nach Auslösen des Alarms sind alle 20 Verletzten aus dem Tunnel heraus geschafft. Draußen haben die Rettungsdienstler in Windeseile ein großes, beheiztes Zelt aufgestellt, in dem die Opfer zunächst versorgt werden, bevor sie mit Krankenwägen und Hubschraubern in Kliniken abtransportiert werden. Der Notfallseelsorger kümmert sich um die Menschen, die unter schwerem Schock stehen. Nach knapp zwei Stunden ist die Übung zu Ende - und alle Beteiligten froh, dass es kein Notfall war.

Im Anschluss trafen sich gestern noch alle Einsatzkräfte im Selber Rot-Kreuz-Heim, um Manöverkritik zu üben. Und wie Horst Waschilowski auf Anfrage unserer Zeitung mitteilte, "verlief alles im Großen und Ganzen zufrieden stellend". Und was nicht so reibungslos klappte, kam schonungslos auf den Tisch: "Dafür sind solche Übungen ja gedacht, damit im Ernstfall ein Rädchen ins andere greift."

Was sonst nur bei Wohnungs- oder Hausbränden eingesetzt wird, wurde gestern noch nach der Übung geprobt: der Einsatz eines Hochdrucklüfters in dem Tunnel, in dem ein Sog wie in einem Kamin herrscht. ,,Und es hat wunderbar geklappt. Wir haben noch einmal die Nebelmaschine eingeschaltet und dann gleich den Hochdrucklüfter, der den Rauch geschluckt hat.''

 

Zahlreiche Schaulustige hatten das Spektakel im Tunnel mit verfolgt, und so manchen hörte man mit entsetztem Gesicht sagen: "Hoffentlich passiert so was nie in echt."

 

Fotos: Hannes Bessermann

Text: Peggy Biczysko

Frankenpost, 18. Dezember 2000

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